Praxis herzwärts Hesstrasse 27 Liebefeld

Vertrauen ist ein Geschenk

AE: Vertrauen ist ein Geschenk?
M nickt: Ich habe es weder erarbeitet noch verdient. Vertrauen in seiner Ganzheit war plötzlich da.
AE: Wie kann ich das verstehen „plötzlich da“?
M: Verstehen kannst du diese unerwartete, weil völlig unbekannte Qualität nicht. Nur erleben.
AE: Ich habe mich jahrelang um Vertrauen bemüht.
M: Und?
AE: Wenn ich still werde, in der Natur oder in deiner Gegenwart, kann ich manchmal einen Duft von etwas schnuppern, das vielleicht Vertrauen sein könnte.
M: Dieses Anvertrauen an den Moment ist eigentlich immer da. Was wahrscheinlich in diesen Wahrnehmungsfenstern des still Seins passiert, ist eine Entspannung, so dass das Alltagsbewusstsein Zugang erhält zu einer darunter liegenden Schicht.
AE: Was für eine Schicht?
M: Eine Wirklichkeit, mit etwas weniger Schleiern.
AE: Immer noch Schleier?
M: Ja. Solange eine Instanz in uns etwas wahrnimmt und einordnet, ist immer noch Maya, Illusion, Schleier vorhanden.
AE: Doch bedingungsloses Vertrauen ist schon mit diesen Schleiern möglich?
M: Zum Glück, ja.
AE: Dann öffnet still Werden einen Weg zum Vertrauen?
M: Es gibt so viele Wege wie es Menschen gibt. Es geht manchmal mit Bemühen, manchmal ohne. Still Werden und Meditieren ist keine Garantie für einen Zugang zu irgendetwas. Was Meditieren vielleicht bewirkt, ist ein Reinigen deines Unterbewusstseins. Es konfrontiert dich mit deinen individuellen, systemischen und kollektiven Identifikationen. Was einmal als Ziel erscheint, wird durch dran Bleiben weggewischt. Selbstoptimierung durch Meditation funktioniert nicht. Ausser, ich halte an angenehmen Illusionen fest. Irgendeinmal habe ich realisiert, dass es keinen Weg gibt. Das hatte ich zwar gehört, aber es selbst zu erleben, war ein Verlust der Orientierung und eine wunderbare Befreiung. Ich habe nie angefangen, ich habe keinen Schritt gemacht und werde nie irgendwo ankommen. Weil immer alles schon da ist. Und weil dieses diachrone Durchdringen meines Lebensteppichs eine Illusion ist. Ja, eigentlich ist nichts ausser eine jenseitige, wunderbare, furchtbare Freiheit, aus der sich alles Leben manifestiert und darin wieder verschwindet, wie ein grosses Atmen und Pulsieren. Vielleicht ist es das, was die Weisen des Ostens Leere nennen.
AE: Du hast einen deiner Monologe gehalten. Können wir hier vielleicht eine wahrscheinliche Pause machen?
M: Eine vielleicht wahrscheinliche Pause? Gerne. Habe ich wieder mit diesen relativierenden Worten um mich geworfen?
AE grinst: Ja und ich weiss auch warum. Um darauf hin zu weisen, dass eigentlich nur Kunst Aussagen machen kann, die vielleicht in die Nähe der Wirklichkeit zielen.
M: Falls es eine Wirklichkeit gäbe…
AE: Pausepausepause bitte.
M: Ich hätte noch ein Gedicht.
AE: Etwas für die rechte Hirnhälfte, oder präziser ausgedrückt, etwas für den Ausgleich zwischen beiden Hemisphären?
M: Mh.

es ist ein Zeichen der Liebe
Ja und Nein weg zuwerfen
Zeit Ort und Raum
hinter sich zu lassen
einmal gläubig zu sein
einmal ungläubig
und in beidem zu verweilen
bis in alle Zeitlosigkeit

AE: Ausgerechnet Hamadhani zum Abschluss.
M: Wir können heute auch Rumi das letzte Wort geben:

meinen Mund hast Du verschlossen
damit ich schweige
und in meinem Herzen
eine Türe geöffnet
die ich nicht benennen kann

AE: –
M: –
AE: Danke für das heutige Gespräch.

2. Gespräch/