Praxis herzwärts Hesstrasse 27 Liebefeld

2. Gespräch

AE: Was für ein dunkler, gemütlicher, regnerischer Morgen für einen Sommertag.
M: Dunkel und gemütlich?
AE: Ja, dunkel und gemütlich. Aber auch bedrohlich. In diesem regelmässigen Rauschen erklingt für mich heute Verlorenheit mit.
M: Verlorenheit?
AE: Wie wenn etwas weint.
M: Wie wenn etwas weint.
AE: Ja, ein Anteil von mir, der sich ziemlich verloren fühlt in der Dunkelheit.
M: Wenn dies nun eine therapeutische Sitzung wäre, wüsstest du wie es weiter ginge?
AE: Ja. Wir würden Teambildung machen.
M: Teambildung. Was für ein schönes Wort dafür. Ja, wir würden Anteile in dir suchen, die diesen etwas verloren Teil halten und stärken könnten, so dass er sich getraut da zu sein, mit seinem Kummer und seinen Geheimnissen.
AE: Und am Schluss würde eine unglaubliche Lebensfreude meinen Körper durchfluten. Die Lebendigkeit des Kummers präsentierte sich mir plötzlich als Geschenk. Ein Geschenk, das ich jetzt erst den Mut hatte auszupacken.
M: Weil jetzt erst der richtige Moment dazu da war.
AE: Weil ich mutig genug war, hin zu fühlen.
M: –
AE: Das ist deine Arbeit.
M: Das war deine Arbeit, heute. Oder Vergnügen. Übrigens, wie geht es dir jetzt, nachdem wir in der Möglichkeitsform einen inneren Anteil von dir zum Dasein eingeladen haben?
AE sagt mit geschlossenen Augen nach einer langen Pause: Ich spüre ein Prickeln in meinen Fusssohlen. Die beiden Beine sind warm und stabil. Die Hände sind wie mit den Knien verwachsen, ich könnte sie unmöglich bewegen. Und durch meinen Atemraum weht ein mächtiger Wind. Ich bin ein Dudelsack der bläst.
M: Ein Dudelsack, aha. Was bläst er?
AE: Fröhliche Melodien.
M: Aha, fröhliche Melodien!
AE: Ja. Es wird gefeiert. Und ich halte wie ein Instrument einfach hin, so dass Luft durch mich strömt. Meine Zellen und Organe bilden einen einzigartigen Widerstand, der die faszinierendsten Klänge ermöglicht.
M: Wow. Und was wird klingend gefeiert?
AE: Die Lebendigkeit. Der Kummer. Die Freude. Dass ich dies alles fühlen kann.
M: Lebendigkeit, Kummer und Freude. Oho. Kennst du diesen Zustand?
AE: Nein. Obgleich ich weiss, dass ich mit dir immer wieder solche Prozess gemacht habe: Nein. Immer wieder ist dieses Eintauchen ins Fühlen wie neu. Und einmalig. Und gilt nur für jetzt.
M: Das Wunder des Momentes.
AE: Ja. Das Wunder des Momentes.
M: Danke.
AE: Das war ein kurzes Gespräch. Ich wollte dich heute eigentlich auf das Fühlen ansprechen.
M: Nun haben wir es erlebt. Wie schön.