Praxis herzwärts Hesstrasse 27 Liebefeld

6. Kein Weg

M: Heute halte ich einen Monolog, da Ae fehlt. Ein Gespräch gibt es trotzdem, ein Inneres, da ohne Gegenüber keine Worte fliessen, kein Sinn konstruiert wird. Kommunikation entsteht bei mir aus Reaktion auf eine Situation, aus einer Anfrage des Lebens heraus, finde ich eine Antwort, die für genau diesen Augenblick wahr ist, mehr nicht.

Heute habe ich eine weitere Werbemail erhalten, von unity, Einheit. Regelmässig werden hier gratis Kurse von erfolgreichen Menschen angeboten, zwecks Wunscherfüllung. Gratis ist ja schon mal eine gute Sache, würde AE sagen, die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen mit Lebensweisheiten Geld machen. Dann würde AE einen Blick in meine Richtung werfen. Ach ja, bei mir zaheln die Menschen 120.- pro Stunde, wenn sie zu mir kommen, gebe ich zu bedenken. Und, würde AE drängen, gibt es einen Unterschied? Nein, eigentlich keinen. Nur, vielleicht? Dass ich nicht Weisheiten von mir verkaufe, sondern die der Herkommenden herunterladen und formulieren helfe? Dass ich die Wünsche nach Mehr, nach Liebes- und Beziehungsglück, nach Schmerzfreiheit, Wohlstand und Sicherheit nicht erfüllen helfe? Warum hast du dann so viel KlientInnen? Diese Wünsche sind Gründe um den Kontakt mit mir zu suchen, ja. Wohin wir dann zusammmen reisen, ist ungewiss. Sicher jedoch zuerst einmal zu diesen Bedürfnissen. Wir schürfen nach entsprechenden Worten und Geschichten. Bedürfnisse fühlen ist berührend, befreiend, bereichernd. Wir feiern diese bunte individuelle Einmaligkeit. Damit ergibt sich oft schon eine Art Befreiung von der Identifikation mit einzelnen Bedürfnissen. Bedürfnisse werden als Teammitglieder im grossen Ich willkommen geheissen. Menschen werden zu Eltern dieser Anteile. Dann stellt sich irgendeinmal die Frage: Wer bin dann ich? Wenn ich all diese Anteile willkommen heissen kann, bin ich dann die Summe dieses Teams? Das ist eine Richtung, die nur mit Dasein beantwortet werden kann. Und eigentlich taucht diese Frage gar nichtr mehr auf, weil das Sein im grossen Team von sich selbst so viel Lebendigkeit und Glückseeligkeit in sich trägt, dass der Hunger, der Motor der Bedürfnisse, mehr als gestillt ist. Ich brauche keine absolute Gesundheit. Ich brauche keine einfache Liebe. Brauche nicht mehr Geld, schönere Brüste, mehr Sicherheit. Das Leben wie es jetzt gerade ist, ist. Das ist mehr als genug. Es ist mehr als ich mir je vorstellen und wünschen konnte. Veränderung geschieht. Und ich bin mitten drinn. Ich atme. Ich lebe. Ich atme. Ich liebe. Ich atme. Ich leide. Ich atme. Ich vergesse. Ich atme. Ich engagiere mich, spiele dieses wunderbare, einmalige Spiel der Ich-Identifikation, ich atme, ich werde krank, ich atme, bin einsam, ich atme, ich sterbe. Mein Dasein ist so kurz. Ich bin erfreut, überrascht über jedes Einatmen, über jedes Ausatmen. Irgendwie sind Stille, Freuden und Leiden gleichermassen wunderbar. Leben. Wild, sanft, still, bunt.

das ist lieben: zu einem geheimen himmel fliegen
und jeden moment hundert schleier fallen lassen
zuerst das wünschen lassen am ende
einen schritt ohne füsse machen
herz sage ich was für ein geschenk es war
in diesen kreis der liebenden einzutreten
über das sehen hinaus zu sehen
in die brust zu greifen
und zu fühlen